Ich bin – glaube ich – immer noch das „New Kid on the Block“ in Bezug auf aktive politische Teilhabe. Die Europa- und Bezirkswahlen waren meine ersten aktiven Wahlen. Wie viele Stimmen ich bekommen habe? Ehrlich: Keine Ahnung. Aber es waren wohl einige Hundert und auf der Bezirksliste einige Tausend. Viele von Euch haben da schon enorm viel mehr Erfahrung als ich.

Daher erlaubt mir ein wenig zu den vergangenen Wochen und Monaten aus dem Blick eines immer noch von außen Denkenden für die Bürgerschaftswahl in 9 Monaten bei zu steuern.

Natürlich habe ich Plakate aufgestellt („Früher hat das mal die JU gemacht – heute müssen wir selbst ran…“), an Infoständen informiert, an Haustüren geklingelt und Briefkästen mit Printartikeln vollgemacht. Dabei habe ich mich immer gefragt: Wen erreichen wir denn damit? Gefragt getan – wir machen das schon immer so und so erreichen wir unsere Wähler. Andre Trepoll war da, Roland Heintze war da, Richard Seelmaeker war da und auch Christoph Ploß hat uns 2* unterstützt. So falsch kann es also nicht sein.

Aber wen erreichen wir? Wollen wir die erreichen, die wir erreichen oder sind es doch andere?

Aus meiner Sicht hat Andre Trepoll das Problem unseres Wahlkampfs wie folgt zusammen gefasst:

„Wir haben wochenlang engagiert gekämpft, bei Wind und Wetter an den Infoständen, auf der Straße und an den Haustüren. Wir haben Plakate aufgestellt und um jede Stimme gekämpft.“ 

Ich sehe jetzt Fragezeichen in Euren Augen?

Wir erreichen nicht die, die wir erreichen müssten, sondern nur die, die uns eh treu verbunden sind.

Wir leben heute in einer Wohlstandsgesellschaft.

Innere + äußere Sicherheit?

Kein Problem mehr. Zumindest nicht für die Wähler unter 40

Traditionelles Familienbild?

Völlig überholt. Wie können wir als Moderne Volkspartei immer noch von der Spitze weg gegen eine Gleichgeschlechtliche Ehe sein? Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren so sehr geändert, dass das völlig normal ist, wenn Mann Mann heiratet oder Frau Frau. Genauso ist es nicht mehr opportun, dass klassische Familienbild zu fordern. Ein Großteil der Ehen (38%) wird heute geschieden und die Patchwork Familie ist zumindest in den Großstädten die neue Normalität. Das durchschnittliche Alter der Ehe-schließenden steigt beständig an und wir proklamieren immer noch das alte Bild aus den 70er Jahren mit jungen Eltern und 2 Kindern auf unseren Wahlplakaten.

Wahlplakate?

„Ihre Spielwiese. Unsere Lebensqualität. Bevölkerungswachstum und Bauboom dürfen unsere Grünflächen nicht verdrängen. Wir werden daher Parks und Erholungsgebiete schützen“

„Grünflächen vor Betonflächen“

Nun ratet einmal welches unser Plakat war und welches die Grünen im Wahlkampf plakatiert haben. Welches man bei 50 aus dem fahrenden Auto/Bus/Fahrrad/U-Bahn lesen konnte und welches nicht.

Genau. Unlesbar war unseres und die „Message“ viel zu intellektuell. Wenige haben unser Plakat wirklich verstanden.

Mobilität?

Nimmt uns in der aktuellen Form, wie wir es postulieren, keiner ab. Viel mehr sollten wir stärker auf unsere eigenen Kompetenzen und Klientel eingehen und die Forschung nach alternativen – synthetischen – Kraftstoffen verstärken und die Investitionen in regenerative und erneuerbare Energien verstärken, anstatt Subventionen für e-Mobilität zu fordern.

SPD?

Ähnliche Probleme wie wir haben auch die Genossen der SPD. Es gibt einfach kaum noch Arbeitslose und selbst Hartz 4 Empfängern geht es vergleichsweise gut (2019 zu 2001). Streiten für Gewerkschaften ist kaum noch notwendig, da eigentlich jedes Unternehmen eingesehen hat, dass Gewerkschaften und die Interessenvertretung grundsätzlich etwas Gutes sind.

Die Menschen kümmert es, was sie essen, wie sie ihre Kinder sicher und behütet groß bekommen (Helikoptereltern und Cappu Muttis), Worklife Balance und plötzlich ist auch die Natur wichtig und die Touribomber nach Malle werden verflucht.

Persönliche Entfaltung ist wichtig, Altruismus ist ein Gesprächsthema auf Partys und wie ich mich um meinen Nächsten kümmere – ein sehr Christliches Thema was von uns selbst selten genug abgedeckt wird.

Zukunft? Digitales? Wirtschaft? Kinder? Künstliche Intelligenz?

Alles im Großen und Ganzen Fehlanzeige und dann noch mit AKK und Ziemiak zwei „Neue“ an der Spitze die deutlich zeigen, dass Infostände, Plakate kleben und Haustüren genau ihr Ding sind und das sie für die moderne, in der Großstadt lebende Gesellschaft keinerlei Antennen haben. Von einem Verständnis der Jugend und dies einhergehend mit Digitalem möchte ich gar nicht reden.

Wie viel Werbung haben wir mit Influenzern gemacht? Auf Facebook? Youtube? Instagram? Wie oft waren wir in den Schulen bei den Kindern?

In der Klasse von meinem Sohn wählen mehr als 50% die Grünen – ja war bei uns auch schon so nur haben da die Eltern noch CDU, FDP oder SPD gewählt und wir begehrten gegen die „Alten“ auf. Heute wählen die Eltern „Grün“, weil es ihnen vielfach einfach so gut geht, dass plötzlich andere Themen wichtig werden (s.o.). Die Jugendlichen sind politisch interessiert. Aber nicht an Flyern, Kugelschreibern oder Stammtischen. Sie sehen das was ein Rezo oder andere machen aber glaubt ihr, dass sie sich schon jemals ein Video von AKK oder Merkel oder Ziemiak auf Facebook angesehen haben? Meine Kinder jedenfalls nicht. Sie haben nicht einmal einen Facebook Account. Rezo diskutieren sie auf WhatsApp und Insta.

Ich sage nicht, dass wir die Grünen kopieren sollten und wir sollten uns schon gar nicht als Juniorpartner anbiedern. Dann wähle auch ich lieber das Original. Sondern wir brauchen verbindliche, konservative Inhalte die genau diese oben genannten Punkte adressieren .

 

Wacht auf!

 

9 Monate bis zur Bürgerschaftswahl und mit unserem aktuellen Programm und unserer aktuellen Herangehensweise und dem „Spitzenpersonal“ im Bund haben wir aus meiner Sicht keine Chance auf den Bürgermeisterposten. Wenn ich mir dann noch ansehe, wie wir mit den wenigen Digitalexperten bei uns in Hamburg in der Partei umgehen, dann wird mir übel. Wir brauchen mehr Carsten Ovens in der Partei und nicht weniger.

Wir müssen grundlegende Dinge ändern. Nicht nur marginal. Ja klar wir brauchen für unsere noch verbliebenen „Stammwähler“ die Infostände, Plakate, Flyer und Printanzeigen aber wir brauchen auch ein echtes Marketing Konzept wie wir die Jugendlichen bis 35 Jährigen erreichen. Und Inhalte. Konservative moderne Inhalte, die zu einer modernen Gesellschaft passen. 

Christoph Ploß macht tolle Dinge auf Instagram. Kurzer verwackelter Bericht aus Berlin. Cappu mit XYZ. Gerne auch mal eine Tour im Auto oder auf dem Fahrrad. Aber auch einfach eine Verlinkung der Bundestagsinhalte und seiner Reden.

Zukunft! Digitales! Wirtschaft! Kinder! Künstliche Intelligenz!

Alles Dinge, wo wir kompetent drüber sprechen könnten. Es aber nicht tun. Noch nicht. Hoffentlich aber bald.

Wir brauchen dringend einen Wechsel bei den handelnden Personen. Ich weiß nicht, ob das noch vor den Bürgerschaftswahlen im Februar 2020 möglich ist. Aber spätestens danach.

Denn eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche : Ändern wir nichts, dann werden wir uns im Februar 2020 noch über die Ergebnisse der Bezirkswahlen in 2019 freuen. Lasst es uns also gemeinsam anpacken !