Es ist kein Geheimnis, dass die IT-Branche beständig den Wandel formt. Keine andere Sparte liefert in so kurzen Zyklen so offensiv in die Breite wirkende Neuerungen wie die Informationstechnologie. Innovation und Dynamik – in der IT scheinen sie die wahren Konstanten zu sein. Und doch ist die IT nur Taktgeber. Denn mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass nahezu alle Branchen in unterschiedlichen Ausprägungen von Innovation und Dynamik abhängig sind.

Unter amerikanischen Geschäftsleuten erzählt man sich gerne, jedermann würde heute mit Union Pacific Airways fliegen, wenn das größte U.S.-Eisenbahnunternehmen Union Pacific sich im Flugtransportgeschäft statt im Schienengeschäft gesehen hätte. Dieses Bonmot weist nicht nur darauf hin, welche Tragweiten vergebene Chancen entwickeln können. Es regt vielmehr zu einer Geisteshaltung in der Managementebene an, sich als Unternehmen regelmäßig selbst infrage zu stellen und so beständig wie nachhaltig neue Wege zu suchen.

Das ist natürlich eine anspruchsvolle und kräftezehrende Aufgabe. Die einzige Alternative dazu, sein eigener größter Konkurrent zu sein, ist es allerdings, jemand anderen dazu werden zu lassen.

An Beispielen fehlt es nicht: Warum wurde der Kugelschreiber nicht von einem Füllfederhalter-Hersteller erfunden? Welche Voraussetzungen fehlten den Herstellern von Propellerflugzeugen, um den Düsenantrieb zu entwickeln? Warum hat nicht die Musikindustrie die MP3-Kompression entwickelt? Welche Erwartung hat dazu geführt, dass die Verlagsbranche dem elektronischen Marktsegment lange wortlos gegenüberstand, anstatt selbst E-Book-Reader zu entwickeln?

Neben anderen validen Gründen findet sich eine Antwort auf diese Fragen in der Natur des Menschen: So positiv der Begriff Innovation besetzt sein mag, so schnell zucken wir doch instinktiv zusammen, wenn der damit einhergehende Wandel thematisiert wird. Wir verändern uns nicht allzu gerne. Wir verlassen uns lieber auf das Gewohnte und das Bekannte, das wir gerne als Bewährtes verklären. Dass Stillstand uns schon definitorisch nicht weiterbringt, ist uns dabei paradoxerweise ebenso klar, wie dass der Zustand, in dem wir am liebsten verharren würden, doch auch nur eine Stabilisierung unserer Reaktionen auf Veränderungen in der Vergangenheit ist.

Wenn Sie mir einen weiteren Rückblick erlauben möchten, erkennen wir an Henry Fords Beispiel, wie lange man noch vor 100 Jahren Innovationen aussitzen konnte, bevor sich wirtschaftliche Nachteile ergaben: Ford brachte der Welt im Jahr 1908 das erfolgreiche T-Modell in Schwarz. Änderungen am besten Pferd in seinem Stall lehnte Ford immer strikt ab. Erst 1927 brachte der erhebliche Rückgang der Verkaufszahlen sein Einlenken. Doch am Markt waren längst weitere Automobile in verschiedenen Farben und Zusatzausstattungen etabliert, und von Ford abgelehnte Herstellerkredite regten andernorts die Verkäufe höherwertiger Karossen an.

Schnelle Information am richtigen Ort

Ein Niedergang wie jener Henry Fords lässt längst nicht mehr jahrelang auf sich warten; bereits kleinere Unterlassungen haben heute schneller größere Folgen. Unternehmen sind deshalb nicht nur darauf angewiesen, ihre Zahlen zu kennen und kommende Entwicklungen zu prognostizieren, um sich anschließend an deren Spitze zu stellen. Sie müssen dies auch so schnell und so regelmäßig wie möglich tun, da ihnen sonst ein Marktbegleiter zuvorkommt.

Es gibt dank moderner Informationstechnologie und Infrastruktur heute keinen Grund mehr dafür, warum ein Management nicht zu jeder Zeit Einblick in Informationen bis hinunter zu einzelnen Kassenterminals und Lagerbeständen haben könnte – weltweit und in Echtzeit. Heute können wir deswegen Verantwortung für definierte Teilbereiche eines Unternehmens umfänglicher delegieren und so dynamischer agieren. Jede Führungskraft kann die Entwicklung des von ihr verantworteten Segments transparent verfolgen und wohlinformierte Entscheidungen treffen. Wo früher kostenintensiv geduldige Papierberge erzeugt wurden, sind Zahlen und Analysen heute per Mausklick vom Schreibtisch aus abrufbar. Zu einem Preis, der auch unteren Managementebenen den ständigen und detaillierten Einblick in die Ergebnisse ihrer Verantwortungsbereiche erlaubt. So können Prozesse auf allen Ebenen zielgerichteter gesteuert werden als noch vor 15 Jahren.

Größe alleine schützt nicht mehr

Diese modernen Möglichkeiten geben uns die Chance, selbst riesige Unternehmen viel besser als früher in kleineren, möglichst eigenständigen Bereichen zu organisieren. Denn wo früher noch schiere Größe vor einem Scheitern zu schützen schien, kann heute ein kleines, gewitztes Unternehmen auch die großen Platzhirsche angreifen. Der Wettbewerb ist dadurch nicht nur härter und internationaler, sondern auch vielschichtiger und schneller geworden.

Um am Markt Bestand zu haben, müssen wir als Unternehmen daher deutlich flexibler sein und zukünftige Entwicklungen besser, schneller und regelmäßiger antizipieren als früher. Denn je schwerfälliger wir sind, desto anfälliger sind wir für Überholmanöver.

Innovation bei Microsoft

Innovation und Dynamik treiben uns bei Microsoft beständig an. Seit dem Tag unserer Gründung im Jahr 1975 stehen diese Werte Pate für unsere Entwicklung. Mit nahezu 100.000 Mitarbeitern weltweit, Niederlassungen in mehr als 100 Ländern und einem weltumspannenden Partnernetz gehören wir dabei zu den größeren internationalen Unternehmen. Dieses Spannungsfeld zwischen entstandener Größe und notwendiger Agilität aufzulösen, um unseren vielfältigen Innovationsansätzen Rechnung zu tragen, ist eine unserer Herausforderungen. Dieser begegnen wir auf vielfältigen Pfaden.

Als Unternehmen der Hochtechnologie investieren wir natürlich erhebliche Mittel in die Forschung. Dafür unterhalten wir über 100 Microsoft-Innovationszentren, in denen wir unser Wissen mit anderen Softwareherstellern teilen, sowie strategische Partnerschaften mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen. Wir unterhalten auch eigene Forschungslabors, die wir unter der Dachmarke „Microsoft Research“ zusammengefasst haben. An weltweit 13 Standorten von Redmond über München bis Bangalore und Peking arbeiten mehr als 1.100 unserer Wissenschaftler und Ingenieure an nichts anderem als dem praktischen Fortschritt der Informationstechnologie. Fokus sind dabei Forschungen, die zu konkreten Anwendungsfällen führen und in unsere Produkte Einzug halten oder neue Produkte hervorbringen können. So stammt beispielsweise unsere revolutionäre und bis heute unerreichte Kinect-Steuerung, die für unsere Spielekonsole Xbox entwickelt wurde, vollständig aus den Hallen unserer Forschung. Aber auch unsere Softwareprodukte stecken voller Errungenschaften, die der 20-jährigen Geschichte unserer dezidierten Forschungsabteilung entspringen.

Um uns bestmöglich auf unsere Aufgaben fokussieren zu können, wird unser gesamter Konzern regelmäßig reorganisiert. Wo in anderen Unternehmen der Verlust von Wissen an bestimmten Schreibtischen gefürchtet wird, schulen und fördern wir unsere Mitarbeiter intensiv und ermutigen sie zu einer dynamischen Karriere innerhalb unseres Unternehmens. Personelle Fluktuationen im Hause sind daher für uns ohnehin nicht ungewöhnlich. Als Mitarbeiter erfreuen wir uns dabei nicht nur persönlich neuer Chancen und Fortschritte, sondern erweitern auch unsere Erfahrungshorizonte erheblich und sind jederzeit offen für Neues. Wir tragen, wenn Sie so wollen, durch diese Flexibilität das Herz unserer Innovation damit in uns, an jedem einzelnen Arbeitsplatz.

Unsere regelmäßige interne Reorganisation ist ebenso ein deutlicher Ausdruck dessen, was wir als Unternehmen beständig hinterfragen und wofür wir neue Antworten finden. Ablesbar werden solche Prozesse für unsere Kunden spätestens an den Produkten und zunehmend auch an den Dienstleistungen, die wir weiterentwickeln und neu auflegen.

Nicht immer ist es für all unsere Kunden selbstverständlich, unsere Innovationsgeschwindigkeit mitzugehen. Sie haben das gute Recht, von lange Bewährtem nicht abweichen zu wollen, das Neue kritisch zu hinterfragen und vielleicht sogar den Übergang intuitiv meiden zu wollen. Wir investieren dabei partnerschaftlich in unsere Kundenbeziehungen. Wir erläutern transparent, welchen Fortschritt wir aus welchen Gründen in unsere Produkte integriert haben und wie unsere Kunden davon profitieren werden. Denn auch ihnen ist natürlich klar, dass Konservatismus im Bereich der Informationstechnologie nicht lediglich Stillstand, sondern Rückschritt gegenüber dem Wettbewerb bedeutet.

Nehmen Sie als weiteres Beispiel die jüngste Änderung unseres Firmenlogos. Nach 25 Jahren hatte das alte Logo mit seinem hohen Bekanntheitsgrad keineswegs ausgedient. Als Zeichen des erheblichen Umbruchs, in dem sich Microsoft befand, war es jedoch an der Zeit, auch nach außen zu vermitteln, dass wir neue Pfade beschreiten wollten. Dazu beigetragen hat nicht nur unser Flaggschiffprodukt Windows 8, das als Betriebssystem für klassische Computer ebenso wie für moderne Touch-Geräte die modernen Designprinzipien unseres innovativen Windows Phone übernommen hat. Auch der Übergang zu Cloud-Produkten, allen voran unsere ausgereifte Suite Office 365 mit voller Offline-Unterstützung, brachte für uns beträchtlichen Wandel mit sich.

Viele unserer Geschäftsfelder befinden sich in der Transformation von der Software zum Dienst. Einhergehend entwickelt sich unser Unternehmen als bislang wohl bekanntester Softwareanbieter der Welt zunehmend zum Anbieter von Dienstleistungen und Geräten. Neue Umsätze wie die Beteiligung beim Vertrieb von Windows-Software anderer Hersteller in unseren Online-Stores, die Vermarktung unserer Rechenzentrumsressourcen in der Cloud oder der Verkauf eigener Hardwarelösungen sichern unseren eigenen finanziellen Erfolg in der Zukunft ab und bieten zudem neue Geschäftsmodelle für existierende und zukünftige Partner.

Ein weiterer Wandel in der Ausgestaltung unserer Innovationsfreude zeigt sich darin, in welchen Zyklen wir heute Software entwickeln und an unsere Kunden verteilen. War unser Modell noch bis vor wenigen Jahren an tradierten Vertriebswegen mit hübsch verpackten Datenträgern orientiert, so verstärken wir inzwischen die sukzessive Entwicklung und fortwährende Teilhabe unserer Kunden an unseren Fortschritten. Unsere Entwicklungszyklen verkürzen sich damit auf wenige Monate statt Jahre und unsere Produktentwicklung entfernt sich zugunsten eines fortwährenden Produktlebenszyklus vom alten Modell der Hauptversionsnummern. Auf diesem Weg kommen wir nicht nur dem Wunsch des Marktes nach, neue Möglichkeiten schon vor dem Erscheinen einer kommenden Produktversion nutzen zu können. Wir nähern uns gleichzeitig dem Cloud-Modell an, mit dem der Kunde ohne jedes Zutun ständig die neuesten Entwicklungen zur Verfügung hat. Diese Umstellung wird unseren Entwicklungsabteilungen dabei helfen, die parallele Entwicklung für Cloud und klassische Geräte besser koordinieren zu können und dynamischer auf aktuelle Anforderungen und Ereignisse reagieren zu können. Uns als Unternehmen hilft es außerdem dabei, neue Geschäftsmodelle zu realisieren – bis hin zur Cloud-Lösung, dank der nicht nur Wartungsprobleme der Vergangenheit angehören, sondern auch Softwarelösungen nur bei Bedarf für entsprechend geringe Beträge verfügbar werden.

Bei Microsoft legen wir es täglich darauf an, unsere bisherigen Leistungen selbst in den Schatten zu stellen, da wir – mitunter auch aus Erfahrung – sehr wohl wissen, dass es sonst ein anderer tun wird. Dabei bleiben wir unserem Prinzip treu, dass Innovation der Motor unseres Unternehmens und Dynamik sein Schmierfett ist. Das Anwachsen der öffentlichen IT-Infrastruktur und der einhergehende Wegfall klassischer Distributionswege sorgen dafür, dass sich unsere Zyklen beständig verkürzen. Damit können wir unsere Innovationen noch schneller am Markt platzieren, um uns vom Wettbewerb abzusetzen und auch kleineren, hochflexiblen Unternehmen die Stirn bieten zu können. Mit dem Abbau von Infrastrukturlücken auch in strukturschwachen Ländern und Gebieten wird unsere gesamte Branche diesem Trend folgen. Wir gehen den Schritt voran.

 

(Der Artikel ist erschienen im Buch „Neuvermessung der Werte“ im Jahr 2014 Hrsg Sven Gabor Janszky)