In meinem letzten Blogbeitrag habe ich das Thema Natural User Interface (NUI)-Entwicklung aufgegriffen und versprochen, mehr darüber zu schreiben, dass die Rolle der zunehmenden Anzahl vernetzter Geräte und ihrer Kommunikation nicht nur mit uns, sondern auch untereinander meiner Meinung nach in bedeutsamer Weise mit zu den natürlichen Steuerungskonzepten der Zukunft zählen.

Eine für mich zentrale NUI-Eingabemöglichkeit wird in Fachkreisen zwar schon seit mehr als einem Jahrzehnt besprochen und in einigen Industrien, vorrangig über Standortbestimmung, bereits eingesetzt, hat aber sein Potenzial auf seinem Weg in unseren Alltag noch lange nicht realisiert: Kontext, also sinnvoll in Zusammenhang gesetzte aggregierte Informationen.

Als ein Praxisbeispiel der ConDOS-Initiative („Context Data for the OS“) von Microsoft Research fiel mir zuletzt etwa das FALCON-Projekt („Fast App Launching with Context“) auf: Es nutzt Kontextinformationen (z. B. die Identifikation der bestehenden WLAN-Verbindung ), um Windows Phone-Apps in den Speicher zu laden, die der Anwender gemäß seines bisherigen Nutzerverhaltens in diesem WLAN vermutlich als nächste starten wird. Am Arbeitsplatz werden zumeist andere Apps sein als zu Hause. So wird die Verfügbarkeit von Windows Phone-Apps bei deren tatsächlicher Auswahl deutlich schneller erreicht. Wie viel treffsicherer könnte diese Funktion arbeiten, wenn mein Telefon „wüsste“, ob es sich gerade in der Küche oder im Wohnzimmer befindet?

Die Verfügbarkeit und Aggregation von Daten sind lediglich technische Voraussetzung. Die enormen Möglichkeiten ihrer Auswertung eröffnen sich erst dann, wenn die Daten in einen passenden, möglichst intelligenten Kontext gesetzt werden. Welcher wiederum im Grundsatz umso genauer zum gewünschten Ziel führen kann, je granularer die vorherige Datenerhebung ist, und je mehr Einflussfaktoren angemessen berücksichtigt werden.

Woher kommen die Daten?

Es bedarf keiner prophetischen Kräfte zu erkennen, dass die Anzahl vernetzter Geräte, die uns umgeben, stetig anwächst. Längst sind es nicht mehr nur Laptops, Smartphones und Tablets verschiedenster Formfaktoren, die in Haushalten vorhanden sind und unterschiedliche Informationen meist noch ungenutzt in sich bergen (wer hat wann und wo welche App oder Website wofür verwendet?). Dass längst mehr Embedded-Geräte verkauft werden als PCs, Server und Mobiltelefone zusammen, wird keinen Szenekenner überraschen. Bislang fanden bei intelligenten Embedded-Lösungen automotive Konzepte besondere Beachtung, dennoch bilden sie in ihrem Umfeld eher hochpreisiger Güter nur einen begrenzten Teilbereich der neuen Vielfalt ab.

Früh schon war auch die Gesundheits- und Fitnessbranche beteiligt, Leistungs- und Gesundheitsdaten elektronisch zu erfassen und zu einem Gesamtbild auszuwerten. Stark im Kommen ist die Hausautomatisierung zur Nachrüstung per Funk zur Programmierung und Steuerung über Internet und Smartphone. Und auch die Hersteller von Haushaltsgroßgeräten lassen sich vorrangig noch von Fragen möglichst gemeinsamer Protokolle bremsen – längst ist ausgemacht, dass Kühlschrank, Herd, Waschmaschine und Konsorten sich für uns vernetzen werden.

Parallel steigt die Anzahl von Mobilfunkverträgen, die über 3G und LTE unterwegs die Vernetzung aufrecht erhalten, beständig an – laut Ericsson alleine im 4. Quartal 2012 um 140 Millionen, und damit das Achtfache der Entwicklung der Weltbevölkerung, auf insgesamt fast 6,4 Milliarden Verträge weltweit.

Zunehmen wird auch die Vielzahl von Kleingeräten, wie die vernetzte Gabel, die das Essverhalten überwacht, oder die Turnschuhe, deren Sensoren das Laufverhalten erfassen, um nur zwei konkrete Beispiele für eine Geräteklasse zu nennen, die sich – oft auch dank Crowd-Funding – heute so schnell zu vermehren scheinen wie die innovativen Ideen zu ihrer Umsetzung.

Dass dies kein neuer Trend, sondern verlässlicher Wachstumstreiber ist, zeigt auch der Umstand, dass vernetzte Gerätewelten längst den Beinamen „Internet of Things“ – das Internet der Dinge – tragen und entsprechend vielfältige Erwähnung im „Next at Microsoft“-Blog finden. Der Name diente ursprünglich Insidern zur Kennzeichnung elektronisch gesteuerter Warenströme, steht aber zur Bezeichnung gegenständlich induzierter Informationsströme zunehmend im Licht der Öffentlichkeit. Über erste Hardwareimplementierungen hat er gar bereits Kontextplattformen wie IFTTT erreicht, die nun Sensoren und Aktoren über Internet als selbstverständliche Ein- und Ausgabewege verwendet.

Datenerhebung ist kein Selbstzweck

Sicher scheint, dass wir uns nicht nur mittelfristig – Ericsson rechnet mit 50 Milliarden Geräten bis 2020 –, sondern in schon naher Zukunft mit viel mehr vernetzten Geräten und Informationsquellen umgeben werden als heute. Dabei werden die Aufgaben dieser Geräte immer weiter weg von den heutigen Hauptanwendungen wie Datenverarbeitung und -wiedergabe und immer mehr hin zur Daten- und damit Kontextgewinnung gehen.

Den wahren Mehrwert zu schöpfen, den diese neue Vielfalt verfügbarer Daten im Alltag mit sich bringen kann, bleibt Aufgabe der Softwareentwicklung, die wir als Microsoft durch Schnittstellen und Dienste für die Kontextgewinnung heute schon so konkret unterstützen wie künftig durch weitere Forschungsergebnisse. Und auch die Infrastruktur unserer IT-Umgebungen wird sich dieser Entwicklung anpassen, denn immer mehr Daten von mobilen Geräten wollen sinnvoll gespeichert und ausgewertet werden, um ihren Nutzen zu entfalten.

Wir erleben gegenwärtig einen Paradigmenwechsel, der bisherige Entwicklungen, einschließlich der kürzlichen Touch-Revolution (die am Ende doch ein längerer Lernprozess war), nach meiner Überzeugung in den Schatten zu stellen vermag. Dreh- und Angelpunkt dieses Wandels wird es sein, die Kluft zwischen Erwartungshaltung und tatsächlichem Angebot durch die Nutzung kontextrelevanter Informationen immer weiter zu verringern.

Ich ermutige Sie daher, in Ihre NUI-Eingabekonzepte Kontext als wesentliches Element von vorne herein zu berücksichtigen. Die Qualität eines Produkts wird sich zukünftig noch mehr daran messen lassen müssen, wie kontextintelligent es sich in unseren Alltag integriert, und die Kundenerwartungen werden so rasch anwachsen wie die Anzahl vernetzter Geräte und deren Datenangebot, die uns diese Weg eröffnen werden.